„Forschung, die wirkt – Kinderkrebs heilen, Spätfolgen lindern“: Unter diesem Titel ist der neue Forschungsbericht des Forschungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg erschienen. Der Bericht umfasst den Zeitraum 2021-2023 und gewährt einen umfassenden Einblick in die jüngsten Fortschritte bei der Erforschung von Krebserkrankungen im Kindesalter. Zudem stellt er wegweisende Projekte vor, die das Institut in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und anderen Partnern durchführt.
In den vergangenen Jahren konnte das Team bedeutende Erfolge verzeichnen, etwa bei der Entwicklung innovativer Diagnose- und Therapieansätze für Leukämien und Hirntumore. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Immunonkologie, die das Potenzial bietet, Krebstherapien gezielter und schonender zu gestalten.
Der Bericht zeigt, wie wichtig innovative Forschung ist, um die Heilungschancen zu erhöhen und langfristige Spätfolgen für junge Patienten zu minimieren.
Der vollständige Bericht steht hier zum Download bereit.
Die gedruckte Ausgabe kann unter buero@kinderkrebs-hamburg.de angefordert werden.
Welche Rolle spielen Immunzellen bei kindlichen Hirntumoren? Dieser Frage widmet sich Dr. Marius Mader mit seiner Arbeitsgruppe ab Oktober am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Ziel ist es, das Immunsystem so zu manipulieren, dass es Gehirntumore effizient bekämpfen kann. Dabei bilden die wegweisenden Erkenntnisse aus seiner Zeit an der Stanford University das Fundament für neue Behandlungsansätze, die einmal in der Klinik Anwendung finden sollen.
Gehirntumoren bestehen neben Tumorzellen zu mehr als der Hälfte aus bestimmten Immunzellen, sogenannten myeloiden Zellen. Paradoxerweise bekämpfen diese Immunzellen den Tumor nicht, sondern schützen ihn vor Angriffen des Immunsystems und fördern sein Wachstum. Das ist relevant bei Hirntumoren, zum Beispiel auch bei Gliomen im Kindesalter.
Mit seiner neuen Arbeitsgruppe am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg möchte Dr. Marius Mader besser verstehen, welche Rolle myeloide Zellen bei der Entwicklung von Gliomen spielen. „Übergeordnetes Ziel ist es, neuartige Therapiemethoden zu entwickeln, die darauf beruhen, myeloide Zellen auszutauschen und zu manipulieren“, sagt Mader. „Damit soll dem körpereigenen Immunsystem eine effiziente Bekämpfung des Tumors ermöglicht werden.“
In den letzten fünfeinhalb Jahren als PostDoc an der Stanford University in Kalifornien, USA, hat Mader mit seinen Kolleginnen und Kollegen Protokolle zum Austausch von myeloiden Zellen im Gehirn entwickelt. Diese Pionierarbeit bildet die Basis für therapeutische Konzepte, die einmal in der Klinik angewendet werden können. In präklinischen Krankheitsmodellen von neurometabolischen, neurodegenerativen und neuroinflammatorischen Erkrankungen konnten die Forschenden bereits zeigen, dass der Austausch fehlprogrammierter myeloider Zellen gegen Spenderzellen funktioniert. Dabei handelt es sich um Modelle zu Erkrankungen wie Alzheimer und Multiple Sklerose.
„Mein Interesse liegt eher im translationalen Bereich als in der Grundlagenwissenschaft, also darin Konzepte aus der Forschung so umzusetzen, dass sie den Patienten zugutekommen“, sagt Mader. „Dafür braucht es optimale wissenschaftliche Voraussetzungen und eine enge klinische Vernetzung, so wie es über das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg am UKE in Hamburg möglich ist.“ Zudem begeistert ihn die vorhandene Expertise für Krebserkrankungen im Kindesalter: „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den neuen Kolleginnen und Kollegen und darauf, mein Know-how sinnvoll einzubringen.“ Zumindest in der Klinik könnte er auf bekannte Gesichter treffen, denn vor seinem Aufenthalt in den USA arbeitete Mader bereits als Assistenzarzt in der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie (DGNN) hat Prof. Ulrich Schüller den ersten Preis für sein Poster zur Entdeckung eines neuartigen Medulloblastom-Typs gewonnen. Die Präsentation überzeugte die Jury durch ihre bedeutenden Erkenntnisse zur Neuroonkologie und die Relevanz für die Entwicklung gezielter Behandlungsansätze.
Medulloblastome sind schnell wachsende Hirntumoren, die im Kleinhirn entstehen. Im Kindes-und Jugendalter sind sie einer der häufigsten bösartigen Hirntumoren. Bisher wurden vier molekulare Subtypen unterschieden: WNT, SHH, Gruppe 3 und Gruppe 4. Die Hamburger Forscher um Prof. Schüller und Dr. Alicia Eckhardt haben nun einen fünften Subtyp identifiziert, dem sie den provisorischen Namen „Gruppe 5 Medulloblastom“ gegeben haben. Der neue Subtyp tritt sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auf, wobei er bei Jungen und Männern häufiger vorkommt als bei Mädchen und Frauen.
Auf molekularer Ebene zeichnen sich Gruppe 5 Medulloblastome unter anderem durch ein einzigartiges DNA-Methylierungsmuster und Transkriptom aus. Außerdem entdeckte Schüllers Team in Tumorproben aktive molekulare Signalwege, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung verschiedener Organsysteme und Muskelzellen spielen. Das deutet darauf hin, dass Medulloblastome der Gruppe 5 möglicherweise eine große Anzahl unreifer, noch nicht vollständig ausgebildeter Zellen enthalten könnten.
„Unsere Entdeckung stellt einen bedeutenden Fortschritt auf dem Weg zu individuell zugeschnittenen Therapien dar,“ erklärt Prof. Dr. Ulrich Schüller. „Denn je nach Subtyp können der Krankheitsverlauf und das Ansprechen auf bestimmte Therapieformen stark variieren.“
Ziel weiterer Untersuchungen ist es nun, den zellulären Ursprung, die genetischen Merkmale sowie die klinischen Besonderheiten des neuen Subtyps genauer zu verstehen.
Dr. Catena Kresbach aus der Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Schüller hat den Werner-Rosenthal Preis der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie (DGNN) für die Veröffentlichung einer innovativen Behandlungsmethode bei Kindern mit dem bösartigen Hirntumor Medulloblastom erhalten. Die Methode wurde über mehrere Jahre am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg entwickelt.
Der Werner-Rosenthal Preis wird von der DGGN jährlich an Nachwuchswissenschaftler für die beste Publikation des vergangenen Jahres vergeben. Dr. Catena Kresbach wurde mit dem Preis für Ihre Publikation in „Neuro-Oncology“ zu einem vielversprechenden Behandlungsanasatz für Medulloblastome ausgezeichnet. Medulloblastome sind die häufigsten bösartigen Hirntumore im Kindesalter. In einem Anteil der Tumoren ist ein wichtiger Signalweg in den Tumorzellen stark hochreguliert - der sogenannte Sonic-Hedgehog Signalweg (SHH). In ihrer Studie testete die Hamburger Ärztin die gezielte intraventrikuläre Verabreichung von spezifischen SHH-Inhibitoren, die somit das Tumorwachstum hemmen.
Die intraventrikuläre Anwendung bedeutet, dass ein Medikament direkt in die Ventrikel des Gehirns verabreicht wird. Die Ventrikel sind mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume im Gehirn. Durch diese Methode kann das Medikament direkt im Gehirn wirken, ohne den gesamten Körper zu belasten.
Die Studie, die an einem Mausmodell durchgeführt wurde, zeigt, dass die intraventrikuläre Anwendung von SHH-Inhibitoren eine teilweise oder vollständige Rückbildung des Tumors bewirken kann. Dabei konnten schwerwiegende Nebenwirkungen auf das Knochenwachstum vermieden werden, die bei einer systemischen Gabe des Medikaments auftreten. Außerdem führte die Behandlung bei Mäusen zu einer deutlich verlängerten symptomfreien Überlebenszeit.
„Dieser innovative Ansatz könnte eine neue, schonendere Therapieoption für Kinder mit Medulloblastomen darstellen“, sagt Kresbach.
Die direkte Verabreichung von Chemotherapie-Medikamenten ins Gehirn über einen kleinen Zugang unter der Haut ist bei der Behandlung von Medulloblastomen bei Kindern bereits gängige Praxis. Daher glauben die Hamburger Forscherinnen und Forscher, dass es möglich wäre, SHH Inhibitoren zusätzlich zu dieser Behandlung einzusetzen. Dies könnte die Wirksamkeit der Therapie deutlich verbessern und gleichzeitig die Notwendigkeit für andere stark belastende Behandlungen, wie die Bestrahlung des gesamten Gehirns und Rückenmarks, verringern.
Originalpublikation: Kresbach C, Holst L, Schoof M, et al. Intraventricular SHH inhibition proves efficient in SHH medulloblastoma mouse model and prevents systemic side effects. Neuro Oncol. 2024;26(4):609-622. doi: 10.1093/neuonc/noad191
Gleich zwei Projekte, an denen Forschende des Forschungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg beteiligt sind, wurden vom europäischen Programm „Fight Kids Cancer“ (FKC) in der Förderrunde 2024 ausgewählt. Sie werden mit rund 3 Millionen Euro unterstützt. Bei den Forschungsvorhaben geht es um kindliche Krebsarten, die bisher besonders schwer zu behandeln sind.
Eine der Förderungen fließt in das Forschungsvorhaben SOUP (Scanning the liquids of paediatric brain tumour patients to personalize treatment). Darin geht es um die Entwicklung eines zuverlässigen molekularen, minimal-invasiven Tests für Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen, der eine genaue Untersuchung des Krebses unabhängig von einer Operation ermöglicht. Das internationale Forscherteam, an dem insgesamt 14 Zentren in sieben Ländern beteiligt sind, analysiert dafür Erbgut-Fragmente aus dem Nervenwasser. Das Projekt wird von FKC mit 1.998.000 Euro finanziert.
„Wir haben uns in meiner Arbeitsgruppe schon lange damit beschäftigt, die Diagnostik von Hirntumoren mithilfe des Liquors durchzuführen. Nun ist es uns gelungen, winzigste Mengen freier DNA nachzuweisen und zu analysieren“, so Prof. Ulrich Schüller, der am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg die Arbeitsgruppe Entwicklungsneurobiologie und Pädiatrische Neuroonkologie leitet. Der entscheidende Schritt nach vorne gelang durch die sogenannte Nanopore-Sequenzierung. Mit diesem Verfahren konnten an zellfreier DNA aus dem Gehirnwasser (Liquor) der Patienten charakteristische Tumorsignaturen nachgewiesen werden. Die DNA stammt aus zugrunde gegangenen Tumorzellen im Gehirn. Wenn sie absterben, gelangt ihre Erbsubstanz, die DNA, in den Liquor.
Die zweite Förderung fließt in das Projekt EUROPE (Exploring unknown relapse origins in paediatric Ependymoma). Es konzentriert sich auf die dritthäufigste Art bösartiger Hirntumoren im Kindesalter, Ependymome. Kommt es bei ihnen zu einem Rückfall, sind die Überlebenschancen für die betroffenen Kinder bislang gering. Die wissenschaftliche Koordination des Projektes liegt bei David Ghasemi, Arzt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Wissenschaftler am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg in der AG Schüller sowie am „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ). Im Rahmen von EUROPE sollen Untersuchungen von Tumormaterial die zellulären Mechanismen bei Rückfällen aufdecken und neue Schwachstellen in der Tumorbiologie identifiziert werden. „Wir sind überzeugt, dass die Entwicklung neuer, wirksamer Medikamente gegen das Ependymom nur gelingen kann, wenn wir die biologischen Grundlagen dieser komplexen Tumorart wirklich verstehen. Dazu wollen wir mit EUROPE einen entscheidenden Beitrag leisten", so David Ghasemi. EUROPE wird mit 878.000 Euro gefördert; an dem Projekt sind vier Zentren aus Deutschland und den Niederlanden beteiligt.
Geschäftsführerin Wiebke Cramer unterstreicht die Bedeutung der Förderungen im Rahmen von nationaler und internationaler Forschungszusammenarbeit: „Die Fallzahlen bei kindlichen Krebserkrankungen sind sehr gering. Gleichzeitig sind sie die Patienten, die möglichweise die meisten Lebensjahre verlieren oder am längsten mit Spätfolgen der Therapie leben müssen. Deshalb ist Unterstützung für die Kinderkrebsforschung so wichtig. Wir freuen uns sehr, die Forschung in starker Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen vorantreiben zu können.“
„Fight Kids Cancer“ ist ein europäisches Programm, das von gemeinnützigen Einrichtungen getragen wird, die sich für die Bekämpfung von Krebs im Kindesalter und für die Unterstützung betroffener Familien einsetzen. Gefördert werden länderübergreifende frühe klinische Studien und kliniknahe Forschungsprojekte, die das Potenzial haben, die Situation krebskranker Kinder nachhaltig zu verbessern. Dafür haben sich fünf Förderorganisationen zusammengeschlossen: Imagine for Margo (Frankreich), KickCancer (Belgien), Fondatioun Kriibskrank Kanner (Luxemburg), CRIS (Spanien) und Kika (die Niederlande) erhalten die Spendengelder aus Benefizaktionen wie Wohltätigkeitsläufen.
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Über das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg
Das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg wurde im Jahr 2006 von der Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V. mit Spendengeldern gegründet. Am Institut erforscht ein multidisziplinäres Team von rund 50 klinisch tätigen Ärzt:innen, Naturwissenschaftler:innen, technischen Assistent:innen und engagierten Mitarbeitenden die molekularen Entstehungsmechanismen der Krebserkrankungen bei Kindern, um neue Ansätze für bessere und zielgenaue Therapien zu entwickeln. Spenden, Patenschaften und privates Engagement ermöglichen die Forschungsarbeit. Das Institut wird von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet und arbeitet eng mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie dem Leibnitz-Institut für Virologie (LIV) zusammen. Durch die Kooperation mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen sowie mit der klinischen Patientenversorgung am UKE werden optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung von krebskranken Kindern geschaffen. Rund die Hälfte der Projektkosten werden durch kompetitive Drittmittel gedeckt – unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Deutschen Krebshilfe, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Europäischen Union.
Über Krebs im Kindesalter
In Deutschland erkranken jährlich circa 2.200 Kinder und Jugendliche an Krebs – die häufigsten Formen sind Blutkrebs (Leukämien), Hirntumoren sowie Tumoren des Lymphgewebes. Karzinome, die bei Erwachsenen mehr als 90 Prozent der Neuerkrankungen ausmachen, kommen dagegen selten vor. Die Diagnose Krebs ist für die Familien zutiefst einschneidend und stellt den Lebensalltag auf den Kopf. Die Behandlung zieht sich in der Regel über Wochen und Monate hin. Die verschiedenen Therapieformen stellen eine außerordentlich starke Belastung für die jungen Patienten dar. Akute Nebenwirkungen treten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf. Besorgniserregend sind auch die zunehmend diagnostizierten, teilweise gravierenden Spätfolgen der Strahlen- und Chemotherapie von Krebserkrankungen im Kindesalter. Generell konnten dank erfolgreicher Forschung in den letzten Jahrzehnten große Erfolge bei der Bekämpfung kindlicher Krebserkrankungen erzielt werden. Heute sind die Erkrankungen in vielen Fällen heilbar: Etwa 80 Prozent aller Betroffenen überleben. Das ist ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, dass diese Kinder noch bis vor wenigen Jahrzehnten kaum Überlebenschancen hatten. Gleichwohl sterben auch heute noch zu viele Kinder an Krebs oder erfahren durch die Erkrankung oder die Behandlungsmethoden schwerwiegende Einbußen ihrer Lebensqualität.
„Viele Hirntumore sind hochaggressiv. Wir können beobachten, wie schnell sich die Zellen teilen oder das Gehirn infiltrieren“, sagt Prof. Ulrich Schüller. Er forscht seit fast zehn Jahren mit 15 Mitarbeitern am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg auf dem Gebiet der Entwicklungsneurobiologie und Pädiatrischen Neuroonkologie und weiß, was die Diagnose bei den Betroffenen auslöst: „Sie ändert das Leben der Kinder und ganzer Familien. Und die Kinder leiden mitunter ein Leben lang unter den Folgen der Therapie. Das ist furchtbar.“
Daraus leitet er seinen Forschungsauftrag ab, an dem er zusammen mit den Mitarbeitenden ungebrochen engagiert arbeitet: „Das bringt eine hohe Verantwortung mit sich. Wir als Wissenschaftler sehen uns in dieser Verantwortung, solche Tumore besser zu verstehen und in der Konsequenz Substanzen zu identifizieren oder zu entwickeln, die das Tumorwachstum bremsen“, so Prof. Schüller.
Dieses Vorhaben bleibt außerordentlich fordernd, denn kindliche Hirntumore zeichnen sich durch enorme biologische Heterogenität aus. Es gibt viele verschiedene Arten mit unterschiedlichsten Lokalisationen im Gehirn, die in unterschiedlichen Entwicklungsstadien entstehen. Hirntumore sind daher schwer zu behandeln und haben Leukämien von der Spitze der krebsbedingten Sterblichkeitsraten bei Kindern verdrängt - obwohl Leukämien wesentlich häufiger sind.
Die Stiftungsprofessur von Prof. Schüller am Forschungsinstitut und die dortige Hirntumorforschung sind möglich dank der Spenden der Fördergemeinschaft.
Seit 2018 schreibt die Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V. gemeinsam mit der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (PHO) vier Stipendien (jeweils 1.000 EURO/Monat) für Medizindoktoranden/innen aus, die Dissertationen im Bereich der pädiatrischen Krebsforschung anstreben (1 Jahr Vollzeit). Folgende Themen warten auf die Doktoranden/innen: Leukämien, Hirntumoren, Non-Hodgkin-Lymphome, Stammzelltransplantation, Immuntherapien, Gerinnung, Spätfolgen, Bioinformatik/ KI.
Das Bewerbungsverfahren ist für 2024 abgeschlossen und alle Stipendien sind vergeben. Wir aktualisieren die Seite regelmäßig, 2025 wird es wieder Juli-Harnack-Stipendien geben.
Julian „Juli“ Harnack verstarb 2006 im Alter von 16 Jahren an einem Hirntumor – für die Familie, Angehörigen und Freunde ein unfassbarer Schicksalsschlag. In Gedenken an den leidenschaftlichen Hockeyspieler Juli organisiert sein ehemaliger Verein, der Uhlenhorster Hockey-Club (UHC), seit 2007 ein Hockeyturnier. Die Erlöse des mittlerweile nationalen Turniers kommen der Krebsforschung zugute. Mit dem 2018 ins Leben gerufenem Juli-Harnack-Stipendium möchte die Familie Harnack nun gemeinsam mit dem Forschungsinstitut gezielt Nachwuchswissenschaftler/innen für die Kinderkrebsforschung gewinnen. Weiterführende Informationen zu Juli Harnack und dem gleichnamigen Hockey-Turnier finden Sie auf dieser Seite.
Auswahlgremium: Prof. M. Horstmann, Prof. I. Müller, Prof. S. Rutkowski, Prof. U. Schüller
Translationale Nachwuchsförderung im Bereich der Kinderkrebsforschung ist zentrales Anliegen des Forschungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Mit unterschiedlichen Förder- und Ausbildungsmaßnahmen möchte das Institut – eng verzahnt mit dem UKE, der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (PHO) sowie dem Leibnitz Institut für Virologie (LIV) – das Interesse an experimenteller Forschung wecken und die fachliche Weiterbildung junger Wissenschaftler/innen in der pädiatrischen Onkologie vorantreiben.
Sie sind selten und kommen bei Kindern sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark vor: Tumoren mit dem Namen Ependymome. Aus der Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Schüller am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg haben nun drei Wissenschaftlerinnen richtungsweisende Ergebnisse erzielt, mit denen diese Tumoren zukünftig besser diagnostiziert und gezielter therapiert werden können.
Ependymome machen bei Kindern knapp fünf Prozent aller Tumoren des zentralen Nervensystems aus. Die Tumorzellen entwickeln sich aus Ependymzellen, diese kleiden die Innenwände der Hirnkammern und des Rückenmarkskanals aus. Wirksame Behandlungsmethoden beschränken sich zurzeit auf das vollständige operative Entfernen des Tumors und Strahlentherapie. Wobei man insbesondere bei kleinen Kindern versucht, ihr Gehirn nicht zu bestrahlen, um keine bleibenden Schäden zu verursachen. Erkenntnisse, die helfen diese Tumoren besser einzuordnen und ihre weitere Entwicklung vorherzusagen, sind unverzichtbar, um die Behandlung für jeden Patienten so schonend und wirksam wie möglich zu gestalten.
Bei spinalen Ependymomen (SP-EPN) gibt es hier nun mehr Klarheit. Dr. Sina Neyazi untersuchte diese im Rückenmark vorkommenden Tumoren und fand heraus, dass es zwei Subtypen gibt, die unterschiedlich verlaufen. Bei einem Subtyp A treten eher Rezidive auf, das heißt, dass der Tumor zurückkommt, beim Subtyp B ist ein Rückfall hingegen unwahrscheinlich. Die beiden Subtypen unterscheiden sich auf molekularer Ebene. Unter anderem treten beim schlechter verlaufenden Subtyp A bestimmte Veränderungen des Erbguts auf, sogenannte NF2-Mutationen, beim Subtyp B findet man diese Mutationen nicht oder nur selten.
Wie sich solche neuen Erkenntnisse im Klinikalltag niederschlagen, verdeutlicht Prof. Ulrich Schüller: „An diesen Rückenmarks-Tumoren stirbt keiner. Aber was sage ich den Eltern, nachdem der Tumor operativ entfernt wurde? Sollen sie in einem halben, einem oder zwei Jahren wieder kommen, um ihr Kind untersuchen zu lassen? Oder ist von so einem guten Verlauf auszugehen, dass sie sich nur vorstellen müssen, wenn erneut Beschwerden auftreten?“
Mit den Ergebnissen von Neyazi kann der Krankheitsverlauf mithilfe einer molekularen Analyse des Tumorgewebes nun wesentlich klarer eingeordnet werden. Auch für die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien sind detaillierte Einblicke in die molekularen Eigenschaften dieser Tumoren unverzichtbar.
Lara Pohl untersuchte in ihrer Arbeit 2.023 Datensätze von Ependymomen. Damit hat sie einen Datensatz geschaffen, der zuverlässige Informationen darüber liefert, wie sich bestimmte molekulare Merkmale auf den weiteren Verlauf der Tumorerkrankung und die Überlebensrate auswirken.
Eine vergleichbare Analyse fand zuletzt 2015 statt, wobei diese nur 500 Proben umfasste, sodass damals einige Tumorklassen noch fehlten. Pohl konnte nun fehlende Daten ergänzen., damals gewonnenen Erkenntnisse überprüfen und Unterschiede zwischen den einzelnen Subtypen der Ependymome untersuchen. „Unsere Daten sind insbesondere für seltene und kaum erforschte Tumorsubtypen und scheinbar gutartige Varianten relevant, die höhere Rückfallraten aufweisen als bisher angenommen“, so Schüller. Die Untersuchung förderte auch neue Erkenntnisse zu einzelnen Tumorsubklassen zutage, etwa dass bestimmte Ependymome, die man bislang nur im Großhirn vermutete, auch im Kleinhirn vorkommen.
Die Rohdaten dieser umfangreichen Ependymom-Analyse sind im Internet vollständig verfügbar, andere Wissenschaftler können sie sich aus dem Netz herunterladen. Damit wurde eine wertvolle Ressource für weitere Forschungsarbeiten geschaffen.
Pohl und ihre Kollegen entwickelten zudem ein Machine-Learning-Modell, mit dem basierend auf bestimmten molekularen Eigenschaften einer Tumorprobe, dem sogenannten Methylierungsprofil, vorhergesagt werden kann, wie die Tumorerkrankung verlaufen wird. Daraus könnte sich ein direkteres und personalisiertes Diagnoseinstrument für die klinische Praxis entwickeln.
Ependymome der hinteren Schädelgrube Typ A (PF-EPN-A, PFA) verlaufen oftmals schlecht, über die Hälfte der Patienten überlebt die Erkrankung nicht. Meistens treten sie bei kleinen Kindern im Alter zwischen zwei und fünf Jahren auf. Swenja Gödicke, wie Lara Pohl ebenfalls Medizinstudentin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), fand heraus, dass sich die Zelldichte innerhalb eines Tumors bei diesen Ependymomen unterscheidet. Eine hohe Zelldichte geht dabei mit einem schlechteren Verlauf der Tumorerkrankung einher.
Die bereits unter dem Mikroskop sichtbaren Unterschiede zwischen Bereichen mit hoher und niedriger Zelldichte der Tumor-Gewebeschnitte finden sich auf molekularer Ebene wieder. So kamen für diesen Tumor charakteristische Chromosomenveränderungen, die für eine schlechte Prognose sprechen, in zelldichten Bereichen häufiger vor. Auch Gewebeproben aus Rezidiven, also aus erneut aufgetreten PF-EPN-A, wiesen vermehrt zelldichte Bereiche auf.
Die Ergebnisse der Hamburger Forscherin zeigen erstmals, wie wichtig es für die Beurteilung dieses Hirntumors ist, die Anzahl zelldichter Bereiche zu ermitteln und die molekularen Analysen aus diesen Bereichen vorzunehmen.
„Mit diesen drei Arbeiten konnten wir wertvolle neue Beiträge leisten zur Klassifikation von Ependymomen. Sie sind übrigens auch das Ergebnis jahrelanger referenzpathologischer Tätigkeit, im Rahmen derer wir Ependymome aus ganz Deutschland zur Beurteilung nach Hamburg zugeschickt bekommen", so Prof. Schüller.
Originalpublikationen
Neyazi, S., Yamazawa, E., Hack, K. et al. Transcriptomic and epigenetic dissection of spinal ependymoma (SP-EPN) identifies clinically relevant subtypes enriched for tumors with and without NF2 mutation. Acta Neuropathol 147, 22 (2024). https://doi.org/10.1007/s00401-023-02668-9
Pohl, L.C., Leitheiser, M., Obrecht, D. et al. Molecular characteristics and improved survival prediction in a cohort of 2023 ependymomas. Acta Neuropathol 147, 24 (2024). https://doi.org/10.1007/s00401-023-02674-x
Gödicke, S., Kresbach, C., Ehlert, M. et al. Clinically relevant molecular hallmarks of PFA ependymomas display intratumoral heterogeneity and correlate with tumor morphology. Acta Neuropathol 147, 23 (2024). https://doi.org/10.1007/s00401-023-02682-x
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Prof. Ulrich Schüller, Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg, schueller@kinderkrebs-forschung.de
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Gebäude N 63
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Über das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg
Das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg wurde im Jahr 2006 von der Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V. mit Spendengeldern gegründet. Am Institut erforscht ein multidisziplinäres Team von rund 50 klinisch tätigen Ärzt:innen, Naturwissenschaftler:innen, technischen Assistent:innen und engagierten Mitarbeitenden die molekularen Entstehungsmechanismen der Krebserkrankungen bei Kindern, um neue Ansätze für bessere und zielgenaue Therapien zu entwickeln. Spenden, Patenschaften und privates Engagement ermöglichen die Forschungsarbeit. Das Institut wird von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet und arbeitet eng mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie dem Leibnitz-Institut für Virologie (LIV) zusammen. Durch die Kooperation mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen sowie mit der klinischen Patientenversorgung am UKE werden optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung von krebskranken Kindern geschaffen. Rund die Hälfte der Projektkosten werden durch kompetitive Drittmittel gedeckt – unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Deutschen Krebshilfe, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Europäischen Union.
Über Krebs im Kindesalter
In Deutschland erkranken jährlich circa 2.200 Kinder und Jugendliche an Krebs – die häufigsten Formen sind Blutkrebs (Leukämien), Hirntumoren sowie Tumoren des Lymphgewebes. Karzinome, die bei Erwachsenen mehr als 90 Prozent der Neuerkrankungen ausmachen, kommen dagegen selten vor. Die Diagnose Krebs ist für die Familien zutiefst einschneidend und stellt den Lebensalltag auf den Kopf. Die Behandlung zieht sich in der Regel über Wochen und Monate hin. Die verschiedenen Therapieformen stellen eine außerordentlich starke Belastung für die jungen Patienten dar. Akute Nebenwirkungen treten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf. Besorgniserregend sind auch die zunehmend diagnostizierten, teilweise gravierenden Spätfolgen der Strahlen- und Chemotherapie von Krebserkrankungen im Kindesalter. Generell konnten dank erfolgreicher Forschung in den letzten Jahrzehnten große Erfolge bei der Bekämpfung kindlicher Krebserkrankungen erzielt werden. Heute sind die Erkrankungen in vielen Fällen heilbar: Etwa 80 Prozent aller Betroffenen überleben. Das ist ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, dass diese Kinder noch bis vor wenigen Jahrzehnten kaum Überlebenschancen hatten. Gleichwohl sterben auch heute noch zu viele Kinder an Krebs oder erfahren durch die Erkrankung oder die Behandlungsmethoden schwerwiegende Einbußen ihrer Lebensqualität.
Mit dem Juli-Harnack-Stipendium* ermöglicht die Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e,V. jedes Jahr vier MedizinstudentInnen, ein Jahr lang am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg zu arbeiten und ihre medizinische Doktorarbeit im Bereich der pädiatrischen Onkologie zu schreiben. Eine Stipendiatin ist Esther Monsees. Sie ist Medizinstudentin am UKE und medizinische Doktorandin an unserem Institut. Besonders gut gefällt ihr, dass sie aktiv dazu beitragen kann, den Kinderkrebs zu knacken und dabei Teil einer motivierenden Gemeinschaft ist.
*Das Stipendium wurde nach Julian „Juli“ Harnack benannt, der 2006 im Alter von 16 Jahren an einem Hirntumor starb. In Gedenken an den leidenschaftlichen Hockeyspieler Juli organisiert sein ehemaliger Verein, der Uhlenhorster Hockey-Club (UHC), seit 2007 ein Hockeyturnier. Die Erlöse des mittlerweile nationalen Turniers kommen der Krebsforschung zugute. Mit dem 2018 ins Leben gerufenem Juli-Harnack-Stipendium möchte die Familie Harnack gemeinsam mit dem Forschungsinstitut gezielt Nachwuchswissenschaftler/innen für die Kinderkrebsforschung gewinnen.
Forschende Ärzte – die Clinician Scientist-Beschreibung trifft auf Dr. Catena Kresbach voll und ganz zu. Die Assistenzärztin ist neben ihrer Tätigkeit am Institut für Neuropathologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) zudem als Wissenschaftlerin am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg aktiv. Hier forscht sie zu Krankheitsursachen und Behandlungsmöglichkeiten kindlicher Hirntumoren, um die Erkankung besser zu verstehen und zukünftig besser behandeln zu können.
Das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg ermöglicht Clinician Scientists die gezielte Forschung im Bereich Leukämien, Hirntumore, zelluläre Therapien sowie Forschung im Bereich der Stammzelltransplantation.
Die Stelle von Frau Dr. Kresbach wird zudem anteilig durch ein Stipendium des Mildred Scheel Nachwuchzentrums Hamburg finanziert.