Immuntherapien
Stammzelltransplantation und Immuntherapie
AG Müller
Unser Immunsystem leistet gute Dienste im Kampf gegen Bakterien und Viren. Auch Krebszellen kann es prinzipiell erkennen und vernichten. Sie haben jedoch Mechanismen entwickelt, dem Immunsystem zu entkommen. Prof. Dr. Ingo Müller und seine Arbeitsgruppe erforschen, wie das körpereigene Abwehrsystem trotzdem genutzt werden kann, um Krebs bei Kindern zu besiegen. Dafür verändern sie verschiedene Effektorzellen und Antikörper genetisch so, dass sie die bösartigen Zellen möglichst effizient auch im schützenden Gewebeverband angreifen. Dabei konzentrieren sie sich auf das Hochrisiko-Neuroblastom. Außerdem untersuchen sie immunologische und biochemische Prozesse der Stammzelltransplantation, damit sie sicherer und effizienter wird.
Eine allogene Stammzelltransplantation wird eingesetzt, wenn eine Leukämie nicht durch eine Chemotherapie geheilt werden kann. Die kranken und die gesunden Blutzellen des Kindes werden zerstört und durch gesunde Blutzellen eines passenden Spenders ersetzt.
Von besonderem Interesse ist für die AG Müller die haploidentische Stammzelltransplantation, bei der ein Elternteil als Spender fungiert. Die Forscher konnten zeigen, dass Mütter bessere Spender als Väter sind, wenn sich während der Schwangerschaft vom Kind auf die Mutter übertragene Zellen im Kreislauf gehalten haben. Kindliche Zellen konnten Müller und sein Team noch Jahrzehnte nach der Entbindung nachweisen. Nun versuchen sie die immunologischen Mechanismen noch genauer zu verstehen, um sie bestmöglich nutzen zu können.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen, wie Komplikationen einer Stammzelltransplantation minimiert werden können. Zu den häufigsten Komplikationen gehören Transplantatabstoßung, Krankheitsrückfall und die Spender-gegen-Empfänger-Krankheit (Graft-versus-Host-Disease, GvHD). Bei einer GvHD kämpfen die Immunzellen (T-Zellen) fälschlicherweise gegen den Körper des Empfängers, was sich zunächst in Hautrötungen äußert und in der Folge zum Beispiel Leber und Darm lebensbedrohlich schädigen kann. Mit klinisch orientierter Grundlagenforschung wollen die Forscher herausfinden, welche (vorbeugende) Behandlung sich je nach Situation und Patient am besten eignet und damit therapeutische Entscheidungen für jeden einzelnen Patienten absichern.
Je schneller die neuen Blutzellen nach einer Stammzellspende anwachsen, desto besser verläuft die kritische Zeit kurz nach der Transplantation. In dieser Phase treten die meisten Komplikationen auf, da die kindlichen Blutzellen abgestorben sind und die gespendeten Zellen sich noch nicht ausreichend vermehrt haben. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, ob und wie die Zusammensetzung des Zelltransplantats die Regenerationszeit und den Erfolg einer Stammzelltransplantation beeinflusst. Denn die Stammzellspende ist ein Mix aus Stammzellen des blutbildenden Systems und unterschiedlich weit entwickelten Vorläuferzellen. Dazu etablierten sie eine Methode, mit der die Zellen wie mit einem Barcode genau markiert und farblich voneinander unterschieden werden können.
Auch solide Tumoren sind für Kinder oftmals lebensbedrohend. Einer der häufigsten ist das Neuroblastom, das immer wieder erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Selbst die intensivste Chemotherapie kann den Tumor leider manchmal nicht beseitigen. Interessanterweise gibt es Antikörper gegen diesen Tumor, die gesunde Menschen in sich tragen, ohne davon zu wissen. Diese Antikörper versuchen die Forscher aufzureinigen, ihre Aminosäuresequenz zu entschlüsseln und schließlich in die Therapie des Neuroblastoms einzubringen.
Außerdem forscht das Team um Ingo Müller daran, die Chimäre Antigen-Rezeptor-T-Zell-Therapie (CAR-T-Zell-Therapie) bei Neuroblastomen einzusetzen. T-Zellen sind von Natur aus darauf getrimmt, fremd und selbst zu unterscheiden. Sie identifizieren Krankheitserreger sowie virusinfizierte Zellen und schalten diese aus. Prinzip der CAR-T-Zell-Therapie ist es, die Oberfläche der T-Zellen so zu verändern, dass sie auch Tumorzellen bekämpfen, die sie ansonsten übersehen. Derzeit arbeitet die AG Müller daran, effektive CAR-T-Zellen gegen das Neuroblastom zu erhalten.
Ingo Müller schloss die Studiengänge Biochemie und Medizin in Tübingen ab, die durch einen einjährigen Aufenthalt an der Harvard University (Boston, USA) sowie der Diplomarbeit am King’s College in London (UK) ergänzt wurden. 1998 wurde er im Fach Humanmedizin promoviert und begann die Facharztausbildung in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Tübingen. Diese wurde durch einen zweijährigen Forschungsaufenthalt am renommierten St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis (USA) unterbrochen. Seitdem konzentriert sich das Forschungsinteresse auf die Blutstammzelltransplantation mit ihren immunologischen Implikationen sowie auf die Einsatzmöglichkeiten dieser Methode bei verschiedenen Krankheiten. Nach Habilitation und klinischer Tätigkeit als Oberarzt dort übernahm Ingo Müller 2010 die Leitung der Sektion Stammzelltransplantation in der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des UKE und etablierte wesentliche Projekte seiner Arbeitsgruppe am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e. V.
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Deutsche José Carreras-Stiftung
Europäische Union
Fördergesellschaft Kinderkrebs-Neuroblastom-Forschung e. V.
Werner Otto Stiftung
Wissenschaftsstiftung Hamburg
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