Krebs im Kindesalter – darum forschen wir
Maurice war das erste Kind, das am UKE von Professor Dr. Ingo Müller mit der innovativen CAR-T-Zelltherapie behandelt wurde
Maurice erkrankte 2018 an einer Akuten Lymphatischen Leukämie (ALL). Nachdem alle derzeitigen Behandlungsoptionen den Krebs nicht in seine Schranken weisen konnten, wurde der heute 12-Jährige als erstes Kind im Kinderkrebs-Zentrum Hamburg mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt. Seither sind bei Maurice keine Leukämiezellen mehr nachweisbar.
Maurice hat Kopfhörer auf, als wir uns treffen. Er ist abgetaucht in sein Computerspiel, versunken in eine andere Welt, in der er mit Superkräften gegen Eindringlinge kämpft. Mit dem Vater sprechen wir über den realen Kampf von Maurice. Gegner ist eine aggressive Form der Akuten Lymphatischen Leukämie (ALL), die bei seinem Sohn vor drei Jahren diagnostiziert wurde. Seitdem befindet sich die ganze Familie im Kampfmodus. Als im Januar 2019 bei Maurice die Chemotherapie nicht mehr anspricht, kommt die Stammzelltransplantation zum Einsatz, bei der alle Zellen des Blutes inklusive der körpereigenen Blutstammzellen im Knochenmarkraum durch eine Radiochemotherapie im Knochenmarkraum zerstört wird, um sie durch gesunde Stammzellen eines Spenders zu ersetzen. Das Verfahren ist belastend und nicht ohne Risiko, u.a. ist der Körper durch die zerstörten Knochenmarkzellen vorübergehend schutzlos allen Formen von Infektionen ausgeliefert. Diese Form der Behandlung stellt für Patienten wie Maurice bislang die letzte Option dar, den Krebs zu besiegen. In etwa 80% der Fälle ist sie erfolgreich. Verwandtschaft und Freunde stehen während dieser ganzen Zeit fest an der Seite der Familie. Sie sind es auch, die eine Typisierungsaktion ins Leben rufen. Unterstützt wird die Aktion sogar von Maurice Lieblingsverein Werder Bremen, der seine Fans zur Teilnahme aufruft. Für Maurice Bruder werden vor allem Oma und Opa zu wichtigen Ansprech- und Bezugspersonen.
CAR-T-Zelltherapie – eine neue Behandlungsoption
Die Transplantation findet im März 2019 statt. Maurices Körper hält den Strapazen des Eingriffs stand und akzeptiert das fremde Knochenmark. Doch die intensive Behandlung konnte nicht alle Leukämiezellen aufspüren und beseitigen. Noch im selben Jahr erleidet Maurice einen Rückfall, die Knochenmarkpunktion nach dem gemeinsamen Kuraufenthalt der Familie auf der Katharinenhöhe bringt die traurige Gewissheit. Da sich Maurice hervorragend erholt hat und seinen Alltag ohne Einschränkungen gestalten konnte, ziehen die Ärzte zu diesem Zeitpunkt eine neue Therapie in Betracht – eine Art „Smart Weapon“, die aus körpereigenen Abwehrzellen des Patienten im Labor hergestellt wird und Tumorzellen aufspüren und zerstören kann: Die sogenannte CAR-T-Zelltherapie.
Zu dieser Zeit kommt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die CAR-T-Zelltherapie bereits in der Erwachsenen-Onkologie zum Einsatz – nämlich bei der Behandlung von schwerkranken Patienten mit bestimmten Formen von Blut- und Lymphdrüsenkrebs. Hier konnten die Ärzte zum Teil eindrucksvolle Rückbildungen bis hin zu vollständiger Tumorfreiheit verzeichnen. Maurice wird der erste Patient des Kinderkrebs-Zentrums sein, der mit den genetisch veränderten Immunzellen behandelt wird. Die Vorbereitungen und Auflagen sind immens. In einem mehrstündigen Verfahren, das einer Dialyse nicht unähnlich ist, werden Maurice eine große Zahl weiße Blutkörperchen entnommen. Eine in Amerika durchgeführte genetische Behandlung stattet die gesammelten T-Zellen mit einer Antenne (Rezeptor) für Maurices Leukämiezellen aus und macht sie damit zu sogenannte CAR-T-Zellen. Weihnachten verbringt die Familie zu Hause, Silvester kommt der Anruf der Klinik, dass der Zellumbau erfolgreich war und es nun schnell gehen muss, denn das Knochenmark war bereits wieder zu 30% von Leukämiezellen verdrängt worden. Die Rückgabe der CAR-T-Zellen findet Mitte Januar nach einer vorbereitenden Chemotherapie unter den Augen der behandelnden ÄrzteInnen und PflegerInnen statt. Alle sind angespannt, als das Zellmaterial am Bett aufgetaut und die Infusion den Körper von Maurice erreicht. Jetzt heißt es abwarten. Insgesamt bleibt Maurice drei Wochen auf der Station, wo jede körperliche und mentale Veränderung registriert und dokumentiert wird.
Bei Maurice bleiben die Nebenwirkungen sehr milde – nur ein Tag mit Temperaturerhöhung; der gefürchtete Zytokin-Sturm bleibt aus. Die ersten aufwendigen genetischen und immunologischen Tests lassen hoffen, drei Wochen später dann das Ergebnis der Knochenmarkpunktion: Keine Leukämiezellen auffindbar, dafür aktivierte CAR-T-Zellen, die nun im Blut von Maurice patrouillieren und Krebszellen bekämpfen. Ein großes Etappenziel! So sieht es nun schon drei Monate aus und die Familie traut sich, in die Zukunft zu schauen. Sie möchte gerne Urlaub machen. Maurice großer Wunsch ist eine Fahrt mit der AIDA. Dass das momentan nicht klappt, liegt nicht an ihm und seiner Familie, sondern an einem Virus namens Corona, das die ganze Welt in Atem hält.
Forschung ist unsere stärkste Waffe im Kampf gegen Krebs bei Kindern. Setzen wir Sie ein!