31. Oktober 2018

Bessere Leukämiekontrolle durch neuartige kombinierte Hemmung von aktiven Signalproteinen

Aktivierende Signalproteine - sogenannte Kinasen - regulieren auf molekularer Ebene wichtige zelluläre Prozesse im Körper und spielen eine entscheidende Rolle bei der Signalübertragung in Zellen. Da Krankheiten wie Krebs sehr oft auf einer Störung dieser Signalübertragungen beruhen, liegt ein Schwerpunkt der Krebsforschung auf der Entdeckung beteiligter Kinasen und der Entwicklung von Behandlungsstrategien, die diese Enzyme hemmen und so das Krebswachstum aufhalten. Mittlerweile sind eine Vielzahl spezifischer Kinasehemmer zugelassen – allein acht stehen im Kampf gegen hämatologische Tumoren zur Verfügung1. Die Praxis zeigt jedoch, dass der Therapieerfolg durch Hemmung einer einzelnen Kinase nicht durchschlagend ist, da unter dem Druck der Medikation oftmals Behandlungsresistenzen auftreten.
Hochrelevante Signalmoleküle identifiziert
Bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) des Kindesalters sind die genetischen Grundlagen fehlregulierter Signalproteine zum großen Teil bekannt, jedoch sind die Konsequenzen für nachgeschaltete Signalnetzwerke der Zelle unzureichend erforscht. Kein Wunder, gleicht die Entschlüsselung von Signalnetzwerken in Zellen einer Sisyphosarbeit, bei der es gilt, aus Tausenden von Stellgrößen und Hunderttausenden von Signalereignissen relevante Informationen abzuleiten und Rückschlüsse auf mögliche Therapieziele zu ziehen. In vorbildlicher Zusammenarbeit zwischen Klinik und Forschungsinstitut wurden Kinder mit neu diagnostizierter ALL identifiziert, deren Leukämiezellen eine Abhängigkeit von definierten Wachstumsfaktoren in der Gewebeschale und im Tiermodell aufwiesen. Professor Horstmann und sein Team fokussierten sich auf zwei bedeutende Wachstumsfaktor-Rezeptoren (FLT3-Rezeptor und den sog. PDGFRB-Rezeptor) auf der Oberfläche der untersuchten Leukämien, deren nachgeordnete Signalschaltkreise auf therapeutisch angreifbare Knotenpunkte untersucht werden sollten. Um sich dieser Herausforderung zu stellen, wandten sie in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS) in Dortmund eine Tandem-Massenspektrometrie an, durch die Signalereignisse in stimulierten ALL mit hoher Empfindlichkeit gemessen werden konnten. Es wurde schließlich ein Zielprotein identifiziert, die p21-aktivierte Kinase (PAK), die von mehreren Wachstumsfaktor-Rezeptoren angesteuert wird und ein therapeutisches Ziel darstellen könnte: Durch Hemmung der signalauslösenden FLT3 Rezeptor-Tyrosinkinase (RTK) auf der Zelloberfläche mit dem kürzlich bei der akuten myeloischen Leukämie zugelassenen Wirkstoff Midostaurin (PKC412) konnten die Forscher durch Kombination mit einem experimentellen, gegen PAK gerichteten Wirkstoff (FRAX486) nicht nur den Signalschaltkreis  wirkungsvoller hemmen, sondern auch das Überleben im Leukämie-Tiermodell verbessern.
Das Prinzip des Synergismus
Dabei kam ihnen das erwünschte Prinzip des Synergismus zugute: „Wenn wir an unterschiedlichen Orten im Signalweg kombinatorisch angreifen, dann ist der Effekt größer als die Addition der zwei einzelnen Hemmungen. Mit der Hemmung der Rezeptor-Tyrosinkinase plus der p21-aktivierten Kinase haben wir genau diesen Effekt erreicht“, erklärt Professor Dr. Martin Horstmann. Nun müssen weitere präklinische Tests zeigen, wie gut diese kombinierte Hemmung und die konventionellen Chemotherapien ineinandergreifen. Die Tatsache, dass das Signalprotein PAK auch in anderen Krebserkrankungen aktiv ist, gibt Grund zur Hoffnung, dass der im Forschungsinstitut erarbeitete Erkenntnisgewinn nicht nur in innovative Therapiestrategien der ALL, sondern auch zum Beispiel des Brustkrebses und des malignen Melanoms einfließt.
1 https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-132018/sortieren-des-grossen-sortiments/
Originalpublikation
Blood Adv. 2018 Oct 9;2(19):2554-2567. doi: 10.1182/bloodadvances.2018020693.
Combined inhibition of receptor tyrosine and p21-activated kinases as a therapeutic strategy in childhood ALL.

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