21. Dezember 2020

Hirntumorforschung

ATRTs (Atypische teratoide/rhabdoide Tumoren) sind seltene, aber hoch aggressive maligne Erkrankungen des Zentralnervensystems im Kindesalter, die häufig in den ersten zwölf Lebensmonaten auftreten. Genetische Ursache dieser Tumoren sind Mutationen in SMARCB1 (über 95%) oder – viel seltener – in SMARCA4, die jeweils zur Inaktivierung des jeweiligen Genprodukts führen. Wissenschaftler gehen bei den SMARCA4-mutierten Fällen von einer höheren Häufigkeit an Keimbahnmutationen, einem jüngeren Alter der Patienten und einer vermutlich noch schlechteren Prognose im Vergleich mit SMARCB1 defizienten ATRTs aus - handfeste Beweise für biologische Unterschiede aber fehlten bislang.

Auf Grundlage ihrer DNA-Methylierungsprofile und ihrer Genexpression werden SMARCB1-mutierte ATRTs in drei verschiedene molekulare Subgruppen unterteilt: ATRT-TYR, ATRT-SHH und ATRT-MYC. Diese unterscheiden sich hinsichtlich des Alters bei Diagnose, der Tumorlokalisation, der Art der SMARCB1-Veränderungen und des Gesamtüberlebens. Unklar war bislang, ob die weitaus weniger gut untersuchten ATRT-SMARCA4 zu einer der beschriebenen ATRT-Untergruppen gezählt werden können, und wenn ja zu welcher. Dr. Dörthe Holdhof aus der AG Schüller ist es im Rahmen internationaler Zusammenarbeiten nun gelungen, hier Klarheit zu schaffen. Die Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass die Proben eine separate Untergruppe innerhalb der Rhabdoidtumoren bilden und sich diese molekularbiologisch von SMARCB1-mutierten ATRTs und auch von SMARCA4-defizienten extrakraniellen Rhabdoidtumoren separieren. So ist zum Beispiel das Level an globaler DNA Methylierung in ATRT-SMARCA4 deutlich reduziert und die Signaturgene der etablierten Subgruppen in diesen Tumoren nicht hochreguliert.

Für die Untersuchung hatte die Arbeitsgruppe mit insgesamt 14 Proben Zugriff auf die bislang größte ATRT-SMARCA4-Serie. Zudem bedienten sie sich erstmals einer molekularbiologischen Charakterisierung der ATRT-SMARCA4, indem globale DNA Methylierungsanalysen und RNA Sequenzierungen durchgeführt wurden. „Die seltenen Entitäten führen uns vor Augen, wie weit wir von der vollständigen Erfassung und dem Verständnis kindlicher Hirntumor-Entitäten entfernt sind“, erklärt Dörthe Holdhof. „Klassifikationsebenen haben immer auch eine prognostische und therapeutische Relevanz. Wir hoffen, dass unsere Forschungsarbeit den Weg für weitere Untersuchungen ebnet, die schlussendlich in einer verbesserten Diagnostik und neuen Therapieoptionen münden.“ Die Daten sind in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Acta Neuropathologica publiziert. Hier geht es zur Publikation (Acta Neuropathologica https://doi.org/10.1007/s00401-020-02250-7)

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