AG Schüller: Neue Wege in der Diagnostik kindlicher Hirntumoren
Verbesserung von Diagnostik und Therapiemonitoring durch Liquid Biopsy
Hirntumoren gehören zu den großen Herausforderungen der pädiatrischen Onkologie. Sie zeichnen sich durch eine enorme biologische Heterogenität aus und führen aufgrund ihres häufig aggressiven Verlaufes die Spitze der krebsbedingten Sterblichkeitsrate bei Kindern an. Professor Dr. Ulrich Schüller und seinem Team vom Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg ist es in enger Zusammenarbeit mit weiteren Forschungsgruppen, u.a. mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Universitätsklinikum Schleswig Holstein (UKSH), gelungen, eine neue Diagnostik-Methode in die klinische Anwendung zu bringen, die die Versorgung von Patienten mit Hirntumoren schon bald nachhaltig verbessern könnte. Die Studienergebnisse werden aktuell in dem Fachjournal Clinical Chemistry (Oxford University Press) veröffentlicht.
Liquid Biopsy ermöglicht exakte molekulare Tumor-Einordnung
Gamechanger ist die sogenannte Nanopore-Sequenzierung – ein sicheres und zugleich schonendes Verfahren, welches an zellfreier DNA (cfDNA) aus dem Gehirnwasser (Liquor) des Patienten Tumorsignaturen nachweist. Erfasst werden tumorspezifische Änderungen von Kopienzahlprofilen und epigentische Veränderungen der DNA, die – nach Abgleich mit großen Datenbanken – eine exakte molekulare Einordnung möglich machen. Waren bislang aufwändige und risikobehaftete neurochirurgische Eingriffe wie Gewebe-Biopsien oder Resektionen notwendig, reichen den Forschern bei dieser Methode wenige Milliliter Hirn-/Rückenmarksflüssigkeit. „Dank der Liquor Biopsy-Methode können wir eine verlässliche Diagnose stellen – ohne belastenden Eingriff für das Kind,“ erläutert Prof. Dr. Ulrich Schüller und verweist auch auf Patienten mit inoperablen Tumoren, bei denen schon eine Gewebebiopsie mit einem besonders hohen Risiko verbunden wäre, z.B. solche mit Tumoren des Hirnstamms. Hier gibt die neuartige Hirnwasseranalytik diagnostische Sicherheit. „Bei Tumoren, die operiert werden müssen und können, ermöglicht die präoperative Diagnosemethode es uns zudem, die chirurgischen Eingriffe individueller zu planen und an der Tumorentität auszurichten“, ergänzt Ulrich Schüller.
Da die neue Methode zudem Nachweise über Resterkrankungen oder Rückfälle liefert, sind Ulrich Schüller und seine Kollegen optimistisch, dass die Nanopore Sequenzierung von cfDNA aus Liquorproben zukünftig auch ein wichtiger Baustein für das Monitoring von Kindern mit einem Hirntumor darstellt. Vorstellbar ist, dass Chemotherapien und Bestrahlung wieder aufgenommen werden, sobald ein Rückfall über das Gehirnwasser nachgewiesen wird – und nicht erst bei klinischer Symptomatik oder Nachweis in der Bildgebung. Die Technologie soll mittelfristig in klinische Studien implementiert werden, um Patienten basierend auf den molekularen Ergebnissen der Liquordiagnostik zu randomisieren. Die Ergebnisse der Studiendaten, die 129 Liquor-Proben von insgesamt 99 Patienten umfasst, sind hier nachzulesen.
Daten werfen ihre Schatten voraus. Forschungspreise im Vorfeld der Publikation
Die Relevanz der Daten zeigen gleich drei Forschungspreise, die den Wissenschaftlern des Forschungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg im Vorfeld der Veröffentlichung verliehen wurden. So erhielt Professor Schüller den Wissenschaftspreis 2023 von der Deutschen Gesellschaft für Liquordiagnostik und Klinischen Neurochemie e.V. (DGLN). Darüber hinaus wurde Ann-Kristin Afflerbach aus der Arbeitsgruppe Schüller der Young Investigators Bronze Award auf der 13. ISMRC (International Symposium on Minimal Residual Cancer) verliehen. Zudem erhielt die Doktorandin jüngst den begehrten Hubertus-Wald-Nachwuchsförderpreis des Universitären Cancer Centers Hamburg (UCCH).
Originalpublikation
Die Daten sind in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Clinical Chemistry publiziert. Hier geht es zur Publikation.
Pressemitteilung
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