Leukämien
Entstehung und innovative Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie
AG Horstmann
Zentrales Forschungsfeld der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Horstmann ist die Transkription und deren Regulation bei Krebserkrankungen des Kindesalters, vor allem bei akuten lymphoblastischen Leukämien. Das Team von Martin Horstmann arbeitet daran, Störungen in Transkriptionsprozessen zu identifizieren sowie Signalkaskaden in Tumorzellen zu entschlüsseln, die zur Krebsentstehung beitragen und neue Behandlungsansätze für Hochrisiko-Leukämien eröffnen könnten. So entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Forschergruppe aus induzierten pluripotenten Stammzellen gen-modifizierte Natural Killer-Zellen, die hochaktiv gegen spezifische Oberflächenmoleküle auf Leukämiezellen gerichtet sind. Ziel ist es, diese Zellen als universell einsetzbare immuntherapeutische Waffe gegen Leukämieerkrankungen einzusetzen.
Die Akute Lymphatische Leukämie (ALL) ist die häufigste Krebserkrankung bei Kindern. Eines der charakteristischsten Merkmale der ALL ist, dass B- oder T-Vorläuferzellen ihren funktionellen Reifungsprozess nicht abschließen können. Dieser Reifungsstillstand wird meist durch genetische Veränderungen von Transkriptionsfaktoren verursacht, die die zelluläre Differenzierung orchestrieren, wie z.B. NOTCH1, PAX5, Ikaros (IKZF1), E2A oder Early B-Cell Factor 1 (EBF1). Letzterer hat sich als einer der wichtigsten Regulatoren der frühen B-Zell-Entwicklung erwiesen, der auch durch fehlerhafte epigenetische Aktivierung des Zinkfingerfaktors 423 gehemmt werden kann, wie die Forschergruppe bei akuten lymphatischen Leukämien demonstriert hat.
Transkriptionelle Störungen in der Hämatopoese haben nicht nur Auswirkungen auf die Zellreifung, sondern auch auf die genomische Stabilität. Die Arbeitsgruppe von Martin Horstmann arbeitet an den funktionellen Konsequenzen transkriptioneller Insuffizienz für die Zellzykluskontrolle, die mit Replikationstress und mitotischen Störungen einhergehen können.
Zusammen mit seinem Team forscht Professor Martin Horstmann an einer Variante der zellulären Immuntherapie, um Kinder mit einer Hochrisiko-ALL gezielt und wirkungsvoll behandeln zu können. Für die bereits in der Behandlung der ALL zugelassene CAR-T-Zell-Therapie (chimäre Antigen Rezeptor T-Zell-Therapie) werden patienteneigene T-Zellen benötigt, die jedoch nach vorangegangener intensiver Chemotherapie oft nicht mehr in ausreichender Zahl aus dem Patienten gewonnen werden können. Die Hamburger Krebsforscherinnen und -forscher wollen deshalb Immunzellen einsetzen, die aus pluripotenten Stammzellen fremder Spender im Labor hergestellt werden. Hierbei werden gen-modifizierte Natural Killer (NK) Zellen geschaffen, die im Gegensatz zu fremden T-Zellen nach bisherigem Kenntnisstand keine Transplant-gegen-Empfängerreaktion hervorrufen und deshalb unabhängig vom Gewebemuster des Spenders universell eingesetzt werden können. Gezielte genetische Veränderungen werden an den Natural-Killer Zellen vorgenommen, um die Zielpräzision und Ausdauer der Immunzellen zu steigern.
Unter der Leitung von Dr. Peter Nollau werden spezielle, auf Zuckermoleküle abzielende CAR T-Zellen zur Therapie von Tumorerkrankungen entwickelt. Zucker, die an Proteinen auf der Zelloberfläche hängen, dienen der interzellulären Kommunikation. Dendritische Immunzellen können anhand solcher komplexer Zuckermuster (Glykosylierung) Krankheitserreger von körpereigenen Zellen unterscheiden. Auch Krebszellen bilden Zuckerstrukturen aus, die sie von gesunden Zellen unterscheiden und auf diese Weise als therapeutischer Angriffspunkt dienen können. Um auf veränderte Zuckerstrukturen abzuzielen, werden sogenannte Gykorezeptoren statt bislang etablierter Antikörper als Chimeric Antigen Receptoren (CAR) in T-Zellen eingebaut.
Nach dem Studium der Humanmedizin in Marburg und Münster promovierte Martin Horstmann an der medizinischen Fakultät der Universität Münster 1988 zum Doktor der Medizin. Als Arzt nahm er seine wissenschaftliche Tätigkeit im pathologischen Institut der Universität Köln auf und absolvierte seine klinische Ausbildung zum Facharzt für Kinderheilkunde mit den Schwerpunkten pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Seine langjährigen Forschungsarbeiten am Dana Farber Cancer Institute und an der Harvard Medical School in Boston, USA, in den Jahren 1997-2000 bilden die Grundlage für seine aktuellen Forschungsarbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er langjährig als Arzt und Wissenschaftler am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig. Seine Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auf die Biologie akuter Leukämien des Kindesalters und auf grundlegende Mechanismen zellulärer Kommunikation und transkriptioneller Regulation in Tumorerkrankungen. Das Ziel dieser Arbeiten ist ein neues molekulares Krankheitsverständnis zu schaffen, das in die Diagnose, in die risikoangepasste Behandlung und in die Prävention von Krebserkrankungen einfließen wird.
Im Jahre 2006 übernahm er die Leitung des neu gegründeten Forschungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Im darauffolgenden Jahr folgte der Ruf auf die Professur ‚Molekulare Hämatologie und Onkologie’ der medizinischen Fakultät der Universität Hamburg. Als Wissenschaftler und klinisch tätiger Arzt bildet er die Schnittstelle zwischen Forschungsinstitut und Klinik.
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Europäische Union
Deutsche Krebshilfe
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Madeleine Schickedanz-Kinderkrebs-Stiftung
Wilhelm Sander-Stiftung
Bundesministerium für Bildung und Forschung
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