8. Februar 2019

Onkogen-abhängige Regulation der allgemeinen Transkriptionsmaschine entschlüsselt

Die Reparatur von DNA-Schäden und Transkription sind funktionell eng miteinander verknüpft. Die transkriptionsgekoppelte Nukleotid-Exzisionsreparatur ist für die Zelle von vitaler Bedeutung, da Gene keinesfalls schadhaft transkribiert werden dürfen und transkriptionell aktive Regionen innerhalb weniger Stunden repariert werden müssen, um den apoptotischen Zelluntergang zu verhindern. Einzelne Komponenten der allgemeinen Transkriptionsmaschine bewegen sich zwischen den beiden Funktionszuständen der DNA-Reparatur und Transkription. Ihre enorme Bedeutung spiegelt sich in sogenannten Transkriptionsdefizienz-Syndromen des Kindesalters wider, wie das Cockayne-Syndrom oder die Trichothiodystrophie, die mit schwersten neurologischen Entwicklungsstörungen, Intelligenzdefiziten, Krampfanfällen sowie einer verminderten Lebenserwartung einhergehen.
Ihnen liegt ein genetischer Defekt in der transkriptionsgekoppelten DNA-Reparatur zugrunde.
Der Forschergruppe von Prof. Horstmann ist es nun gelungen, eine direkte Steuerung des Transkriptionsinitiationskomplexes durch die beiden onkogenen, sequenzspezifischen Transkriptionsfaktoren MITF (Microphthalmia Transkriptionsfaktor) und c-MYC zu entschlüsseln. Diese Ergebnisse sind zusammen mit Kollegen/-innen der Abteilung Anatomie/experimentelle Morphologie und Dermatologie vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) im Rahmen einer internationalen Kollaboration erarbeitet worden.
MITF und MYC – zwei potenzielle Onkogene bestimmen die Aktivität der allgemeinen Transkriptionsmaschine
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass genotoxisch besonders exponierte, pigment-bildende Zellen den Transkriptionsfaktor MITF aktivieren, um die genetische Integrität und transkriptionelle Homöostase aufrecht zu erhalten. MITF transaktiviert den allgemeinen Transkriptionsfaktor 2H1 (GTF2H1), der für die Nukleotid-Exzisionsreparatur und die Transkription durch TFIIH benötigt wird. Gleichzeitig entdeckten die Forscher, dass MITF als linienabhängiges Onkogen das Wachstum entarteter Pigmentzellen durch GTF2H1 vorantreibt und auf diese Weise die Progression und Fernabsiedlung der Tumorzellen mitbestimmt. „Die funktionelle Achse MITF-GTF2H1 ist in den Tumorzellen aktiv und fungiert quasi als Steuerungselement des Wachstumsmotors“, erklärt Horstmann sein Forschungsergebnis. Dabei reguliert MITF nicht nur den für die Architektur des Transkriptionsinitiationskomplex so wichtigen GTF2H1, sondern auch seine katalytische Untereinheit, das Enzym CDK7 - eine Kinase, die sowohl für die Transkription als auch für die Zellzyklusaktivität unabdingbar ist. In 15-20% der untersuchten malignen Pigmentzelltumoren geht der zentrale Microphthalmia Transkriptionsfaktor verloren und wird durch sein Homolog, das Proto-Onkogen c-MYC, ersetzt. Hierbei übernimmt MYC die Kontrolle über CDK7 in den pigmentbildenden Zellen. MYC ist in einer Vielzahl von Tumoren aktiv, häufig auch in Krebsentitäten des Kindesalters.
Der beschriebene Schutzmechanismus, der genetische Integrität und transkriptionelle Homöostase in Normalzellen aufrechterhält, richtet sich im Moment der Transformation gegen den Organismus. Die gute Nachricht ist, dass zum Beispiel MYC-getriebene Neuroblastome oder Medulloblastome transkriptionsabhängig sind. „Wir haben möglicherweise einen wunden Punkt in diesen kaum zu kontrollierenden Tumoren identifiziert, der durch gezielte Hemmung der MYC-abhängigen CDK7 therapeutisch adressiert werden kann."
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden jüngst in der Fachzeitschrift Oncogene der Nature Publishing Group publiziert. Sie tragen zu einem besseren Verständnis bei, wie DNA-Reparatur und Transkription koordiniert reguliert werden. Darüber hinaus eröffnen die gewonnenen Erkenntnisse neue Perspektiven der transkriptions-gerichteten therapeutischen Intervention in MYC- bzw. MITF-abhängigen Tumorerkrankungen des Kindes- und Erwachsenenalters.
Lineage-specific control of TFIIH by MITF determines transcriptional homeostasis and DNA repair.
Seoane M, Buhs S, Iglesias P, Strauss J, Puller AC, Müller J, Gerull H, Feldhaus S, Alawi M, Brandner JM, Eggert D, Du J, Thomale J, Wild PJ, Zimmermann M, Sternsdorf T, Schumacher U, Nollau P, Fisher DE, Horstmann MA. Oncogene. 2019 Jan 16. doi: 10.1038/s41388-018-0661-x.

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